Scooterist
„Scooterist“ (auch Scooterboy oder Rollerjunge) ist ein Mitglied einer (Jugend-)Subkultur, die sich in den 1960er Jahren in Großbritannien entwickelte. Wie andere ehemalige Jugendsubkulturen entwickelte sich bzw. alterte diese Bewegung auch zur Subkultur.
Geschichte[Bearbeiten]
Die Wurzeln: Modkultur (1960er Jahre)[Bearbeiten]
Die Ursprünge der Scooterists liegen in der Modkultur Großbritanniens der 1960er Jahre. Ein Großteil der Mods begeisterte sich für die italienischen Motorroller – insbesondere für Vespa und Lambretta – als "sauberes" und "smartes" Gefährt. Schon damals trafen sich die jungen Menschen an den Bank Holidays in den britischen Seebädern, um dort auf Weekendern Northern-Soul-Partys nächtelang zu feiern. „Allnighter/Weekender“ sind Partys, die die ganze Nacht/das ganze Wochenende dauern und oft in mehreren Clubs gleichzeitig stattfinden. Aus dieser Clubszene ging in den frühen siebziger Jahren die Northern Soul-Szene hervor, deren Tanzveranstaltungen man als die Vorläufer der heutigen Ravekultur bezeichnen könnte. Aufputschmittel („Speed“) wurden hier ebenso als Tanzmusikdroge konsumiert, um die ganze Nacht durchtanzen zu können. Teile des in der Northern Soul-Szene üblichen akrobatischen Tanzstils fanden sich später im Breakdance wieder. In den sechziger Jahren waren derartige Tanzeinlagen in der Modszene aber eher unüblich. Hier wurde ein eher unterkühlter Tanzstil gepflegt, bei dem es höchstens mal ein paar Drehungen gab. Als gegen Ende der sechziger Jahre die Hard-Mods und folgend die ersten Skinheads anfingen in Doc-Martens-Stiefeln herumzulaufen, entwickelten diese hingegen eine Art Stampftanz (Stompin'). Die Hard-Mods waren eine Abspaltung von den Mods, die sich gegen Ende der sechziger Jahre zu einem immer stärker psychedelisch und hippiesk anmutenden eher studentisch geprägtem Mainstream entwickelte. Die Hard-Mods kamen eher aus den Arbeitervierteln und betonten - bei Beibehaltung der Modkleidung (Anzüge, Parkas, Button-Down Hemden)- durch bestimmte neue Bekleidungselemente ihr Klassenbewusstsein: Arbeitskleidung wie Donkey-Jackets Arbeitsschuhe oder -stiefel, bevorzugt Doc Martens, sowie als stilisiertes Bekleidungselement der Arbeiterklasse schlechthin: Hosenträger (Braces). Aus Protest gegen die Hippies fingen sie an, ihre Haare betont kurz zu tragen, so genannte "College-Hairdos", oder die sich durchsetzende radikalere Variante, der "Crop": die Haare wurden auf eine Länge von 1 bis 3 cm geschoren. Die durchscheinende Kopfhaut sollte ihnen bald den Namen Skinheads einbringen.
Neue Einflüsse: Scooter Skins (1970er Jahre)[Bearbeiten]
Neben den Hard Mods entwickelten sich in den 1970ern aus den Mods erste Vorläufer der Scooterboys, nachdem sich die Szenen immer weiter diversifizierten und sich die Mods, die sich besonders für Roller interessierten, auf ihre Passion besannen. Damals nannten sich diese noch Scooter Skins. Die 1979 in die Kinos gekommene Verfilmung der Mod-Oper Quadrophenia von The Who, die vor allem die Mod-Treffen im Seebad Brighton von 1964 darstellte, löste ein internationales Mod Revival aus, das auch zu einem neuen Boom in der Rollerszene führte und in den Scooterboy-Trend mündete.
Die Geburt: Scooterboys (1980er Jahre)[Bearbeiten]
Zwischen 1978 und 1982 vollzog sich eine Trennung zwischen den Southern Mods und den Northern Scooterboys. 1978 trafen sich die Mods aus Südengland auf Scooter Runs in Clacton, Margate, Brighton und Southend, um die traditionelle Modkultur wieder aufleben zu lassen. Die Mods aus Nordengland, lebten eher die Ideale der Modkultur: Abgrenzung vom Mainstream durch eigenen Modestil und elitäres Verhalten. Sie trafen sich in Skegness oder Scarborough. 1979 trugen die Northern Mods Schlaghosen und hörten Musik der Yardbirds und der Stones. 1980 fanden überwiegend regionale Mod-Treffen als illegale Rennen (Pirate Runs)statt, wo sich die beiden Gruppen weiter voneinander abgrenzten. 1981 begannen die Norther Scooterists Docs, Tarnhosen und gebleichte Jeansjacken mit Aufnähern von besuchten Rollertreffen zu tragen. Das erste Mal entwickelte sich auch die Stile des Customizing der Motorroller auseinander. Die Northern Scooterists schnitten ihre Seitenhauben aus und erste Airbrush-Lackierungen tauchten auf. 1982 verbreiteten sich die beiden Strömungen in jeweils in ganz Großbritannien. Während zu Ostern etwa 1000 Revival-Mods nach Hastings in Sussex zu einem Mod Run fuhren, nahmen 3000 in Armeekluft an einer vom LCGB organisierten Scooter rally in Scarborough in Yorkshire teil. Diese nannten sich nun Scooter Boys.
Geschichte der deutschen Scooterboyszene[Bearbeiten]
In Deutschland sahen sich die Scooterboys damals auf den einzigen Rollertreffen (den Vespatreffen) einem Verein, dem Vespa Club von Deutschland (VCVD), gegenüber, der für Jugend, Spaß und ungewöhnliches Äußeres kein offenes Ohr hatte. Der damalige Präsident des VCVD, Arthur Eichner, spaltete die deutsche Rollerszene mit seinem Satz "Der Borwich is' mir Wurscht!", mit dem er den Wünschen eines damaligen Scooterboys eine Absage erteilte, endgültig in zwei Teile. Diese Spaltung existiert mit wenigen Überschneidungen bis heute.
Diese Zweiteilung der Szene führte in den darauffolgenden Jahrzehnten zur relativ freien Entwicklung einer autonomen Rollerszene, ähnlich den outlawed Motorcycle Clubs in Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Besucherzahlen der Treffen der freien Szene überholten in den 1980ern relativ rasch diejenigen der VCVD-Treffen, was nicht zuletzt an Presseberichten im Stern und in der Bravo lag.
Anfang der 90er- Entwicklung Norddeutschland: Diese wurde klar durch die Mod-Szene aus England aufgrund dessen geografischen Nähe beeinflusst. Schwerpunkt waren Kiel, Wilhelmshaven, Hamburg und Lübeck sowie Braunschweig. Entwicklung in Westdeutschland: Durch die Stationierung britischer Soldaten in NRW und Niedersachsen bildeten sich sogar reine Skinhead-Scooterclubs. Der Schwerpunkt lag hier in Ostwestfalen, Münster, Bielefeld sowie Paderborn. Auch in Koblenz, Neuwied, Frankfurt, Wiesbaden, Offenbach und Aachen gründeten sich bedeutende Clubs. Nur die Großstadt Köln konnte bis heute keine intakte Szene aufweisen, die sich meistens nur in den suburbanen Randgebieten aufbaute (z.B. Bergisch Gladbach). Süddeutschland: Hier entwickelte sich aufgrund der Nähe zu Italien (und der Deutschen Niederlassung von Vespa in Diedorf bei Augsburg) eher eine traditionelle Szene (losgelöst von tieferen Mod- und Skinhead-Einflüssen) mit Schwerpunkten in Augsburg, Nürnberg, Bamberg, München, Heilbronn und Stuttgart sowie Diessen am Ammersee. Ostdeutschland: Aufgrund des DDR-Regimes konnten sich kaum Jugendsubkulturen dieser Art stark entfalten. Nach der Wende entstanden einige Scooterclubs in Berlin. Dies ist bis heute so geblieben.
Nachdem die Veranstaltungen am Anfang der 90er Jahre in Deutschland schnell die 1000 Besucher überschritten und Dutzende davon im Sommer durchgeführt wurden, spaltete sich die Szene in ein starkes Nord-Süd-Gefälle. Hauptsächlich ging es dabei um den informellen Führungsanspruch in der Szene selbst und die genaue Platzierung von eigenen Veranstaltungen (ähnlich der Motorrad-Szene). Unstimmigkeiten wurden dabei oft mit Gewalt ausgetragen, die sich hauptsächlich in den Streitigkeiten zwischen den damalig führenden Clubs aus dem Ruhrpott (Werne, Recklinghausen, Gelsenkirchen) und den Clubs aus den Norden (Hamburg, Lübeck) auf den Frühjahrstreffen Anfang der 90er Jahre in Hamburg abspielte. Nach einem Höhepunkt mit über 1.700 gezählten Besuchern in Aachen, ebbte die Besucherwelle bis zum Jahr 2000 erheblich ab. Der Nachwuchs blieb aus und etablierte Clubs führten keine Veranstaltungen mehr durch. Parallel dazu entwickelte sich eine andere informelle Szene, die von bekannten Clubs organisierte Treffen mied und lokale Veranstaltungen durchführte. Grund für den zeitweisen Niedergang der Szene und die Reduzierung auf ein paar kleine Events war durchaus der Siegeszug der elektronischen Musik bei den jüngeren Jugendlichen und das damit verbundene wachsende Desinteresse für andere Jugendsubkulturen, die Verkommerzialisierung der Jugendsubkultur selbst, das Aufkommen von Automatikrollern, die ansteigende Anzahl von Ausschreitungen, das Fehlen neuer Ideen und letztendlich die Überalterung der Szene selbst.
Weiterhin ist eine starke Reifung der Szene zu beobachten, Gewalt oder Diebstähle wie in den 80er oder 90er Jahren sind seit längerem nicht mehr auf Rollertreffen zu beobachten.
Aussehen[Bearbeiten]
Auch heute noch bestehen oft Ähnlichkeiten zwischen Scooterists und Skinheads, was sich häufig im Musikgeschmack und Kleidungsstil widerspiegelt. Die in den 1980er Jahren üblichen MA-1-Bomberjacken, die damals in England Scooterjackets genannt wurden, werden von Scooterists heute aber nicht mehr ausschließlich getragen. Nach Waxcottonjacken und Lederschutzbekleidung haben sich inzwischen auch die modernen Funktionsjacken aus dem Motorradbereich etabliert, ebenso wie ab den 1990er Jahren auch die CWU-45 aus der feuerfesten Faser Nomex. Die früher auf die Bomberjacken genähten Run-Patches werden heute oft auf eine den Rockerkutten ähnliche Weste genäht. Häufig finden sich auf diesen auch Backpatches der jeweiligen Scooter Clubs. Nach Tarnhosen, die in den 1980ern fast ausschließlich von Scooterboys getragen wurden und Jeanshosen mit aufgenähten Bar-Towels, werden heut vermehrt unauffällige, einfarbige Combathosen und normale Jeans, Lederhosen oder Funktionshosen getragen. Die obligatorischen Doc Martens wurden durch Magnum Hi-Tech und später durch Turnschuhe abgelöst. Diese stellen jedoch eine gewisse Missachtung der Wurzeln dar, die bei der Kleidung Wert auf einen Bezug zur Arbeiterklasse legte und Mainstream missbilligte. Dies trifft soweit auf die west- und norddeutsche Szene zu, da die in Süddeutschland beheimateten Rollerfahrer schon ab den frühen 90er bevorzugt eine Mischung aus Freizeit- und Motorradkluft trugen ((z.B. Lederhose, Kapuzensweatshirt, Sneakers (VANS, Converse), Bomberjacke, Lederkutte)). Tatsächlich war diese Gruppierung mehr durch Skateboard, Hip-Hop und Motorradfahren beeinflusst, als durch Mod- und Skinhead. Gemeinsam trug man jedoch den bereits beschriebenen Rücken- und Clubpatch sowie Freundschaftsaufnäher befreundeter Clubs.
Musik[Bearbeiten]
Neben Northern Soul mit den dazugehörigen Allnightern und Weekendern gehören vor allem in England auch Ska und Rocksteady untrennbar zur Scooterboy-Szene.
Andere Einflüsse: Trotz einer anderen Szene-Herkunft, tauchen auch immer wieder verstärkt Minderheiten aus anderen Jugendsubkulturen an diesen Veranstaltungen auf, die erhebliche Einflüsse aus Psychobilly, Neo-Rockabilly, Punk-Rock und Oi! mitbringen. Besonders hervorzuheben ist der "Johnny-Cash-Faktor", als Mitte der ´90er Jahre auf einer Veranstaltung in Aachen das Lied "Ring of Fire" mehrere hundert Male auf dem Platz gespielt wurde. Danach eroberte das Lied eine ganze Szene und errang Kultstatus.
Roller[Bearbeiten]
Mit Scootern sind vor allem Vespa- beziehungsweise Lambretta-Roller älterer Baujahre gemeint, die in der Regel durch diverse Modifikationen zum persönlichen Custom Roller umgebaut werden.
Treffen[Bearbeiten]
Bevorzugt in den Sommermonaten und zu den Bank Holidays fahren zahlreiche Scooterboys auf Rollertreffen, so genannte Scooterruns (in England Rallies), die häufig in den Seebädern stattfinden. In Deutschland spielten sich diese Treffen auch heute noch meist auf einer Wiese im Nichts ab, wo bei Bier, Musik und Fun-Games gemeinsam gefeiert und über Benzin geredet wird, Custom Roller auf der Customshow bewundert werden oder kleine Ride outs stattfinden. In den Wintermonaten trifft sich die Szene zu den besagten Soul- und Ska All-Nightern in den Städten. Dabei ist es nicht unüblich, dass Besucher aus Flensburg eine Veranstaltung in München besuchen, oder Gäste von Nürnberg nach Lübeck reisen, nur um für ein paar Stunden mit Gleichgesinnten (Musik, Kleidung, Roller) zusammen zu sein.
Rennen[Bearbeiten]
Bei den Treffen finden auch so genannte Schaltrollerrennen und Quartermiles statt. Vermehrt auch an Event-Locations wie Kartbahnen (für ein Rollerrennen) oder Flugplätzen (für Quartermiles). Es gibt auch Oldierennen auf Rennstrecken wie Assen oder dem Nürburgring.