Aufladung am Zweitaktmotor (Turbo)
Einführung in die Thematik "Motoraufladung"
Basiswissen
Um erstmal einen Einstieg in die Materie zu bekommen ist der hier bei Wikipedia abgefasste Artikel zu empfehlen.
In unserem Fall ist speziell das Prinzip der Aufladung per Turbolader oder auch Abgasturbolader (ATL) interessant.
Es ist ratsam, sich das das Basiswissen anzueignen, da im weiteren Verlauf des Artikels darauf aufgebaut wird.
Aufladung am Zweitaktmotor...
Eine Aufladung an Zweitaktmotoren ist erstmal nichts Besonderes, speziell bei großen Dieselzweitaktern (Schiffsmotoren) mit Ventiltrieb ist eine Zwangsbeatmung über einen Lader sogar fester Bestandteil des Motorkonzepts.
Jedoch verwenden wir in unseren Rollern (glücklicherweise) keine Schiffsdiesel, sondern Otto-Zweitakter mit Kurbelgehäusepumpe und Schnürlespülung, auch Umkehrspülung genannt.
Und jetzt wird es interessant...
Wie soll man beginnen? Am besten mit etwas, was viele Zweitaktinteressierte vielleicht schon einmal erlebt haben (Namen sind natürlich frei erfunden!):
Clubabend, 22.34 Uhr, Sixpack alle...
Torben Hendrik: "Hey Jim, was hälste davon, wenn ich meine Mühle mit nem Turbo aufladen würde? Wär doch der Hammer, oder? Richtig Leistung! Nächsten Winter probier ich das mal!"
Jim: "Du Volldepp! Wie soll das denn gehn? Bei unseren Motoren sind doch immer Überströmer und Auslass gleichzeitig offen! Raffst du immer noch nicht, wie ein Zweitakter funktioniert? Da geht der ganze Druck verloren...hastn riesen Verbrauch und der Bock hat kein Fohlen mehr als vorher! Lass den Scheiß und spar lieber auf einen Ionen-Benzinfilter! DAS bringt Leistung!"
Torben Hendrik: "Mmmmh... so genau wie du hab ich mir das noch gar nicht durchgedacht. Hast Recht, das kann ja gar nicht funktionieren. Nee du...dann laß ich das mal lieber."
So (oder so ähnlich) sind wohl die meisten Ambitionen, seinen Schnürle-Zweitakter per Turbo aufzuladen, schon im Keim erstickt worden. Zugegebenerweise gibt es zu diesem sehr speziellen Anwendungsfall der Aufladung auch recht wenig Informationsmaterial, so ist es auch kaum zu verübeln, dass sich Halbwissen und Gerüchte recht hartnäckig halten (Der Verfasser schließt sich da selbst nicht aus!).
Weg von den Gerüchten, hin zu den Fakten:
Auch Schnürle-Zweitakter mit Kurbelgehäusepumpe kann man aufladen und dadurch einen erheblichen Leistungzuwachs erzielen, egal ob Drehschieber- oder Membrangesteuert.
Wenn man es genau nimmt, fahren viele da draußen auch schon jetzt mit einer Aufladung herum. Der gerne wegen seiner leistungssteigernden Wirkung verbaute Resonanzauspuff macht nämlich nichts anderes, als den Motor "von hinten" aufzuladen (das Prinzip ist hier sehr schön erläutert). Der Resonanzauspuff saugt durch seine spezielle Form mehr Gemisch durch den kompletten Motor durch, als es vom Hubraum her eigentlich sein sollte und schiebt es während der Resonanz im richtigen Moment wieder in den Zylinder zurück. Vereinfachtes Beispiel: Ein 200cm³ Zylinder wird in der Reso mit 240cm³ Gemisch gefüllt -> sein Luftaufwand (Masse der tatsächlich durchgepumpten Luft um Verhältnis zur theoretischen, hubraumbezogenen Masse) liegt somit über 100%, was typisch für eine Aufladungsanwendung ist. Und das Ganze schon ohne einen Turbolader! Jetzt wissen wir, warum Zweitakter in ihrer spezifischen Leistung schwer zu schlagen sind!
Zurück zur "externen" Aufladung.
Eine bekannte Situation: Man fährt beim chilenischen Anden-Cannonball mit und auf 7300m kommt man kaum noch über den Pass (trotz 35 PS und Ionen-Benzinfilter!). Der Motor verliert richtig Leistung! Warum? Die Antwort liegt auf der Hand: Die Dichte der Luft hat gegenüber Bottrop deutlich abgenommen, der Motor hat in einer Kurbelgehäusefüllung nicht mehr soviel Sauerstoff zur Verfügung wie üblich (...zusätzlich fettet der Vergaser noch an, aber auch wenn man umdüst, kommt die Leistung nicht wieder).
Umkehrschluß: Wenn man am Strand (Meereshöhe) unterwegs ist, hat man mehr Leistung (Nebenbei: Dies ist von der Natur so vorgesehen, damit die schicken Leistungswheelies vor den süßen Bikini-Girls auch 100%ig klappen)! Was passiert jetzt, wenn ich mit meinem Roller unter den Meeresspiegel fahre? Der Motor schluckt Salzwasser und geht kaputt. Klar, aber theoretisch könnte man doch mit noch dichterer Luft die Leistung weiter steigern, oder!? Richtig! Ein Turbolader macht genau das! Er erlaubt es, noch dichtere Luft im Motor zu haben als auf Meereshöhe in einem Hochdruckgebiet.
Der Turbolader drückt nun mit beispielweise 0,6 bar ins Kurbelgehäuse. Was passiert? Die Füllung, also Sauerstoffanteil und Kraftstoffanteil nehmen deutlich zu, die Vorverdichtung erhöht sich. Es folgt die Spülung. Diese läuft heftiger und gründlicher ab (weniger Altgas im Zylinder), es kommt zu Spülverlusten... Und hier sind wir an dem oft diskutierten Punkt angekommen. Die Spülverluste bei Aufladung sind sicherlich nicht geringer als bei einem normal beatmeten Motor, jedoch sind sie im Verhältnis zur Füllungssteigerung auch nicht viel größer! Der aufgemotzte Durchsatz sorgt auch für eine entsprechend aufgemotzte "Antwort" des Resonanzauspuffs (rücklaufende Welle). Parallel erhöht sich im ganzen Auspuff der Abgasgegendruck, schliesslich müssen auf einmal wesentlich mehr Luftmoleküle durch die enge Turbine am Ende des Auspuffs. Also...da geht nicht alles hinten verloren! Der Resonanzeffekt und der mitwachsende Abgasgegendruck sorgen für entsprechenden "Rückhalt".
Eine kleine Anmerkung zum Membraneinlass beim aufgeladenen Zweitakter: Die Membranplättchen verhalten sich nicht signifikant anders als bei einem Motor ohne Turbo. Die Luftdichte hat nämlich vor und nach den Plättchen zugenommen, sie müssen also nicht mehr Druckdifferenz ertragen als sonst.