Steuerzeit Zylinder: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Vespa Lambretta Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
(26 dazwischenliegende Versionen von 7 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
Die Steuerzeiten eines Zylinders beeinflussen maßgeblich dessen Charakteristik.  
Die Steuerzeiten eines Zylinders beeinflussen maßgeblich dessen Charakteristik und beinhalten die Timings für [[Auslass]], [[Überströmer]] und [[Vorauslass]].


= Steuerzeiten eines Zylinders =
Wie man die Steuerzeiten eines Zylinders messen kann, ist [[Steuerzeit Zylinder Messung|hier]] beschrieben.
Folgende Steuerzeiten beschreiben einen Zylinder:
*[[Auslass]] Steuerzeit
*[[Überströmer]] Steuerzeit
*[[Vorauslass]] Steuerzeit (berechnet sich aus Auslasssteuerzeit und Überströmersteuerzeit)


= Vorbereitung =  
=Steuerzeit Auslass=
Die Auslasssteuerzeit ist die Umdrehung der Kurbelwelle in Grad (z.B. 184° KW), während welcher der Kolben den Auslass freigibt.


Den zusammengebauten Motor (Zylinder mit Fussdichtung, ohne Zylinderkopf) mit einer [[Gradscheibe]] an der Kurbelwelle versehen und einen selbstgebogenen Zeiger z.B. am Zylinder verschrauben.
=Steuerzeit Einlass=
Zylinder mit Distanzstücken (z.B. U- Scheiben) über mindestens 2 Stehbolzen verschrauben.
Die Überströmersteuerzeit ist die Umdrehung der Kurbelwelle in Grad (z.B. 124° KW), während welcher der Kolben die Überströmer freigibt.
[[Bild:Steuerzeiten_messen-Vorbereitung.jpg]]


= Messung =
=Vorauslass=
=== Auslass Steuerzeit ===
Der Vorauslass ist eine der maßgeblichen Steuerzeiten eines Zylinders. Der Vorauslass beschreibt die Zeitspanne, in der die Altgase zum Auslass entweichen, bis der Überströmvorgang einsetzt.
*Den Kolben grob auf UT positionieren und die Gradscheibe mit 0° auf den Zeiger ausrichten.
Der Vorauslass ist grundsätzlich die Hälfte der Differenz aus Auslasssteuerzeit und der Überströmersteuerzeit.
*Den  Kolben gegen den Uhrzeigersinn bewegen, bis er den Auslass gerade verschließt. Gradzahl notieren, zum Beispiel 85°.
*Jetzt den Kolben nach unten bewegen, über UT hinaus und wieder bis nach oben, bis er erneut den Auslass gerade verschließt. Gradzahl wiederum notieren, zum Beispiel 85°.
*Auslasssteuerzeit entspricht den Summen der beiden Gradzahlen, hier also 85° + 85° = 170°
*Um die Genauigkeit der Messung zu erhöhen, die Messung mehrmals durchführen und die Summen mitteln.


=== Überströmer Steuerzeit ===
'''Vorauslass=(Auslasssteuerzeit-Überströmerzeit)/2'''
Der Vorgang analog wie bei der Auslasssteuerzeit durchführen, nur für die Hauptüberströmer (diejenigen, welche am nächsten zum Zylinderkopf liegen).
Als Ergebnis könnte hier sein: 50° + 50° = 100°


=== Vorauslass Steuerzeit ===
Die Differenz aus Auslasszeit und Überströmerzeit wird halbiert, da die Auslass und Überströmer-Steuerzeiten ja den Arbeits-
Der [[Vorauslass]] berechnet sich wie folgt:
und Rückhub beschreiben. Der Vorauslass findet aber nur beim Arbeitshub statt.
Vorauslasssteuerzeit = (Auslasssteuerzeit-Überströmersteuerzeit)/2
 
Hier im konkreten Beispiel also: (170-100)/2 = 35°
Beispiel:
Auslasszeit: 170°
Überströmerzeit: 110°
 
Vorauslass: (170-110)/2 => 30°
 
==Auswirkungen auf die Motorcharakteristik==
*Mehr Vorauslass bedeutet vor allem weniger Nutzhub, weniger effektive Verdichtung, aber auch länger Zeit für die Nutzung einer effektiven Aufladung via Auspuffresonanz und somit auch mehr Auslasszeitquerschnitt. Der Motor wird also drehfreudiger, verliert aber an Drehmoment.
*Wenig Vorauslass bzw. generell wenig Auslasszeit begünstigt die Aufladung des Zylinders im unteren Drehzahlbereich, es geht weniger Frischgas über den Auslassschlitz verloren (Spülverlust, Spülmittelaufwand) und es kann mehr Gemisch in dem Drehzahlbereich verdichtet und gezündet werden.
Höhere Füllung bedeutet immer auch höheres Drehmoment, und via "Leistung proportional Drehzahl mal anliegendem Drehmoment" auch mehr Kraft am Hinterrad!
Bei weiter wachsender Drehzahl reicht aber irgendwann der Zeitquerschnitt nicht mehr aus, um den Zylinder in der Zeit der offenen Kanäle ausreichend zu spülen, sprich zu laden und zu entleeren, folglich sinkt die Leistung wieder und der Motor riegelt ab.
Wegen der Leistungsdefinition legt man es für Spitzenleistung daher auf hohe Drehzahlen aus, wofür man wiederum lange Steuerzeiten und große Querschnitte braucht, um in möglichst kurzer Zeit möglichst viel brennbares Gas anzusaugen, zu verdichten und zu zünden und auch wieder aus dem Zylinder zu befördern, bevor die nächste Füllung ansteht.
 
Beschleunigt man den Auslass-Ausstoß, zum Beispiel durch Erhöhung des Verbrennungsdruckes (Frühzündung, Verdichtung erhöhen)
oder durch einen stärker saugenden Auspuff (Konus größer), kann mit Vorauslass gespart werden.
 
Jedoch sollte beachtet werden, umso niedriger die Gesamtheit der Steuerzeiten sind, umso niedriger kann auch der Vorauslass werden.
 
= Beispiele aus der Praxis =
Diese Beispiele dienen nur dafür, ein Gefühl zu entwickeln, wie die Steuerzeiten bei bestimmten Motortypen aussehen. Natürlich nehmen viele andere Faktoren ebenfalls Einfluss, zum Beispiel die [[Auslass|Auslassform]].
*Auslasszeit 170-190°, leicht bis mittelmäßig saugender Auspuff => VA ca. 25°
*Auslasszeit 170-190°, stark saugender Auspuff => VA ca. 30° und mehr
*Auslasszeit 140-170°, kein saugender Auspuff => VA ca. 18-20°
*Auslasszeit 140-170°, kein oder leicht saugender Auspuff => VA ca. 20-25°
*Auslasszeit 120-140° Auspuff hier kein Resonanzauspuff => VA ca. 10-18°
 
 
Klassische Vespa's ohne sportliche Ambitionen (von Werk und mit Topf) liegen beim Auslass bei 140-155 Grad mit nem VA von um die 20 Grad
 
Road / Touring - Setups liegen gern bei einem VA um die 25 Grad mit einem Auslass von 170 Grad und leicht drüber
 
Die klassischen alten Reso Anlagen haben ähnliche ÜS Zeiten wie oben - nur liegt der Auslass meist bei über 175 -185 Grad
 
Moderne (stark saugende) Anlagen haben sehr individuelle Zeiten - geht es da Richtung Leistung, ist ein VA von >30 Grad normal und Zeiten vom Auslass, die bis teilweise knapp an die 200 ran gehen, sind auch die Regel


= Veranschaulichung =
= Veranschaulichung =
[[Bild:Steuerzeiten.png|thumb]]
Letztendlich kann man dann auf einem zweiten Ausdruck der Gradscheibe das ganze verschiedenfarbig im Kreisdiagramm aufzeichnen, macht das Ganze sehr anschaulich. Alle kolbengesteuerten Zeiten (Auslaß, Überströme) sind symmetrisch, da vom Kolben auf dem Weg nach oben und unten "an der selben Stelle" überlaufen.
Letztendlich kann man dann auf einem zweiten Ausdruck der Gradscheibe das ganze verschiedenfarbig im Kreisdiagramm aufzeichnen, macht das Ganze sehr anschaulich. Alle kolbengesteuerten Zeiten (Auslaß, Überströme) sind symmetrisch, da vom Kolben auf dem Weg nach oben und unten "an der selben Stelle" überlaufen.
[[Bild:Steuerzeiten.png]]
[[Kategorie:Technik Begriffe]]

Version vom 9. März 2015, 12:04 Uhr

Die Steuerzeiten eines Zylinders beeinflussen maßgeblich dessen Charakteristik und beinhalten die Timings für Auslass, Überströmer und Vorauslass.

Wie man die Steuerzeiten eines Zylinders messen kann, ist hier beschrieben.

Steuerzeit Auslass

Die Auslasssteuerzeit ist die Umdrehung der Kurbelwelle in Grad (z.B. 184° KW), während welcher der Kolben den Auslass freigibt.

Steuerzeit Einlass

Die Überströmersteuerzeit ist die Umdrehung der Kurbelwelle in Grad (z.B. 124° KW), während welcher der Kolben die Überströmer freigibt.

Vorauslass

Der Vorauslass ist eine der maßgeblichen Steuerzeiten eines Zylinders. Der Vorauslass beschreibt die Zeitspanne, in der die Altgase zum Auslass entweichen, bis der Überströmvorgang einsetzt. Der Vorauslass ist grundsätzlich die Hälfte der Differenz aus Auslasssteuerzeit und der Überströmersteuerzeit.

Vorauslass=(Auslasssteuerzeit-Überströmerzeit)/2

Die Differenz aus Auslasszeit und Überströmerzeit wird halbiert, da die Auslass und Überströmer-Steuerzeiten ja den Arbeits- und Rückhub beschreiben. Der Vorauslass findet aber nur beim Arbeitshub statt.

Beispiel: Auslasszeit: 170° Überströmerzeit: 110°

Vorauslass: (170-110)/2 => 30°

Auswirkungen auf die Motorcharakteristik

  • Mehr Vorauslass bedeutet vor allem weniger Nutzhub, weniger effektive Verdichtung, aber auch länger Zeit für die Nutzung einer effektiven Aufladung via Auspuffresonanz und somit auch mehr Auslasszeitquerschnitt. Der Motor wird also drehfreudiger, verliert aber an Drehmoment.
  • Wenig Vorauslass bzw. generell wenig Auslasszeit begünstigt die Aufladung des Zylinders im unteren Drehzahlbereich, es geht weniger Frischgas über den Auslassschlitz verloren (Spülverlust, Spülmittelaufwand) und es kann mehr Gemisch in dem Drehzahlbereich verdichtet und gezündet werden.

Höhere Füllung bedeutet immer auch höheres Drehmoment, und via "Leistung proportional Drehzahl mal anliegendem Drehmoment" auch mehr Kraft am Hinterrad! Bei weiter wachsender Drehzahl reicht aber irgendwann der Zeitquerschnitt nicht mehr aus, um den Zylinder in der Zeit der offenen Kanäle ausreichend zu spülen, sprich zu laden und zu entleeren, folglich sinkt die Leistung wieder und der Motor riegelt ab. Wegen der Leistungsdefinition legt man es für Spitzenleistung daher auf hohe Drehzahlen aus, wofür man wiederum lange Steuerzeiten und große Querschnitte braucht, um in möglichst kurzer Zeit möglichst viel brennbares Gas anzusaugen, zu verdichten und zu zünden und auch wieder aus dem Zylinder zu befördern, bevor die nächste Füllung ansteht.

Beschleunigt man den Auslass-Ausstoß, zum Beispiel durch Erhöhung des Verbrennungsdruckes (Frühzündung, Verdichtung erhöhen) oder durch einen stärker saugenden Auspuff (Konus größer), kann mit Vorauslass gespart werden.

Jedoch sollte beachtet werden, umso niedriger die Gesamtheit der Steuerzeiten sind, umso niedriger kann auch der Vorauslass werden.

Beispiele aus der Praxis

Diese Beispiele dienen nur dafür, ein Gefühl zu entwickeln, wie die Steuerzeiten bei bestimmten Motortypen aussehen. Natürlich nehmen viele andere Faktoren ebenfalls Einfluss, zum Beispiel die Auslassform.

  • Auslasszeit 170-190°, leicht bis mittelmäßig saugender Auspuff => VA ca. 25°
  • Auslasszeit 170-190°, stark saugender Auspuff => VA ca. 30° und mehr
  • Auslasszeit 140-170°, kein saugender Auspuff => VA ca. 18-20°
  • Auslasszeit 140-170°, kein oder leicht saugender Auspuff => VA ca. 20-25°
  • Auslasszeit 120-140° Auspuff hier kein Resonanzauspuff => VA ca. 10-18°


Klassische Vespa's ohne sportliche Ambitionen (von Werk und mit Topf) liegen beim Auslass bei 140-155 Grad mit nem VA von um die 20 Grad

Road / Touring - Setups liegen gern bei einem VA um die 25 Grad mit einem Auslass von 170 Grad und leicht drüber

Die klassischen alten Reso Anlagen haben ähnliche ÜS Zeiten wie oben - nur liegt der Auslass meist bei über 175 -185 Grad

Moderne (stark saugende) Anlagen haben sehr individuelle Zeiten - geht es da Richtung Leistung, ist ein VA von >30 Grad normal und Zeiten vom Auslass, die bis teilweise knapp an die 200 ran gehen, sind auch die Regel

Veranschaulichung

Letztendlich kann man dann auf einem zweiten Ausdruck der Gradscheibe das ganze verschiedenfarbig im Kreisdiagramm aufzeichnen, macht das Ganze sehr anschaulich. Alle kolbengesteuerten Zeiten (Auslaß, Überströme) sind symmetrisch, da vom Kolben auf dem Weg nach oben und unten "an der selben Stelle" überlaufen.

Steuerzeiten.png